Kurze Beine, lange Busfahrten – (k)ein Platz für Grundschulkinder in Köln?

Kurze Beine, lange Busfahrten – (k)ein Platz für Grundschulkinder in Köln?

Foto: Victoria Watercolor/pixabay.com

Gemeinsame Pressemitteilung des Arbeitskreises Schulentwicklung der GEW Köln & der Stadtschulpflegschaft Köln vom 1.3.2023

Statt des Prinzips „Kurze Beine, kurze Wege“ wird wohl künftig für viele Erstklässler*innen eher „kurze Beine, lange Busfahrten“ gelten: In mehr als einem Drittel aller Kölner Grundschulen gibt es bereits jetzt mehr Anmeldungen als Plätze, Anfang Februar waren darüber hinaus 575 schulpflichtige Kinder noch gar nicht angemeldet, hinzu kommen ca. 500 Wiederholer*innen der ersten Klasse für das Schuljahr 2023/24. Der Mangel an Grundschulplätzen in Köln ist so eklatant, dass voraussichtlich viele Kinder nicht in der Nähe ihres Wohnortes zur Grundschule werden gehen können, sondern weite Wege werden zurücklegen müssen.

"Ein guter und sicherer Beginn ihrer Schulzeit ist für Kinder so wichtig - früh zu wissen, das ist meine Schule, wo ich mit meinen Freund*innen aus der Nachbarschaft und aus dem Kindergarten hingehen werde. In Köln erleben Kinder gerade das Gegenteil: Unsicherheit, Angst vor Ablehnung und vielleicht Vereinzelung in einer weit entfernten Grundschule. Die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung müssen dafür sorgen, dass schnellstmöglich sinnvolle Lösungen für das Schuljahr 2023/24 gefunden werden und dass das künftig nie wieder geschieht", betont Anne Ratzki vom Arbeitskreis Schulentwicklung der GEW Köln.

Eva-Maria Zimmermann, Geschäftsführerin der GEW Köln, ergänzt: „Schon jetzt wird mit Klassengrößen von bis zu 29 Kindern gerechnet. Die Lehrkräfte sind daher sehr besorgt, wie sie den Kindern bei diesen Klassenstärken überhaupt noch pädagogisch gerecht werden sollen. Wenn man bedenkt, dass zudem während des ersten Schuljahres ca. 10 % der Schulkinder ein sonderpädagogischer Förderbedarf attestiert wird, stellt sich umso mehr die Frage, wie die Schüler*innen verantwortungsvoll begleitet werden können. Und das in einer Phase, in der für die Kinder Weichen gestellt werden für ihre gesamte Zukunft! Wir verstehen nicht, wie es zu einem solchen Schulbauversagen kommen konnte: Die Grundschulkinder fallen ja nicht plötzlich vom Himmel! Lange vorher ist zumindest eine gute Schätzung des Bedarfs bekannt, aber hier hat die Stadt beim Schulbau einmal mehr auf sehr erschreckende Weise versagt.“

Gewerkschaft und Elternvertretung fordern daher, dass die Problematik fehlender Grundschulplätze zur Chefsache werden müsse: „Herr Voigtsberger, bitte erklären Sie uns, wie eine solche Fehlplanung passieren konnte! Vor allem erwarten wir von Ihnen eine klare Aussage dazu, wie so etwas künftig vermieden werden soll, denn Notlösungen wie die Errichtung von Containern und die Einrichtung von Mehrklassen werden auf Dauer keinesfalls funktionieren.“, so Stadtschulpflegschaft und GEW Köln einhellig.

Die Stadt Köln hat den Termin zum Versand der Ablehnungsbescheide an die Eltern, deren Kinder weder die Erst- noch die Zweitwunschschule besuchen dürfen, um Wochen verschoben. Dies zeigt, dass das Ausmaß der Problematik von der Stadt Köln offenbar kolossal unterschätzt und der Bearbeitung nicht genug Gewichtung gegeben wurde. Tausende Eltern und Kinder haben nun das Nachsehen und müssen weiter zittern.

Nathalie Binz, Vorsitzende der Stadtschulpflegschaft Köln, ergänzt abschließend: „Nach der Problematik mit dem Anmeldeverfahren an weiterführenden Schulen und dem jahrelangen gravierenden Platzmangel an Gesamtschulen zeigt sich nun also auch eine Fehlplanung in der Vergangenheit in Bezug auf Grundschulen. Da lief etwas schief bei uns in Köln, so darf es nicht weitergehen! Eltern und Kinder brauchen Sicherheit, immerhin geht es hier um die Bildung unserer Kinder! Spontane Containerlösungen sind auch keine langfristige Lösung, sie ersetzen keine Zügigkeitserweiterung von Schulen oder neue Schulstandorte. Wir fordern die Stadt auf, veraltete Konzepte zu überarbeiten, so dass eine der Vergangenheit geschuldete desaströse Situation wie dieses Jahr künftig nachhaltig vermieden werden kann!“

Vor diesem Hintergrund stellen sich der Stadtschulpflegschaft wie auch der GEW Köln viele wichtige Fragen:

Erstklässler*innen & Schulweg

  • 1. Wie viele der bisher nicht angemeldeten, aber schulpflichtigen Kinder in Köln wurden bisher nicht erreicht? Diese sind eine nicht zu unterschätzende Unsicherheitsgröße, was den zusätzlichen Schulplatzmangel betrifft.
  • 2. Wie vielen zukünftigen Erstklässler*innen im SJ 23/24 werden bei der Schulwahl weder der Erst- noch der Zweitschulwunsch erfüllt werden können?
  • 3. Wie viele Erstklässler*innen werden im SJ 23/24 in Köln einen Schulweg von 2 km und mehr haben?
  • 4. Wie wird der Schulträger sicherstellen, dass abgelehnte Kinder (Ablehnung des 1. und 2. Wunsches) mit ggf. auch erst im Laufe des Anmeldungsprozesses festgestelltem sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf an einer Schule des gemeinsamen Lernens einen Schulplatz erhalten, der vom Wohnort nicht mehr als 2 km und mehr entfernt ist?
  • 5. Für den Fall, dass einem Kind ein Schulplatz in einer Schule zugewiesen wurde, die es nicht zu Fuß erreichen kann: Welche Maßnahmen ergreift der Schulträger, damit das Kind die Schule sicher erreichen kann? (KVB-Ticket, inkl. begleitende Eltern oder Schulbus)

Klassengröße & Bildung

  • 6. Gibt es bereits genauere Zahlen darüber, wie viele der genannten ca. 500 Kinder die erste Klasse an einer Grundschule tatsächlich planen zu wiederholen?
  • 7. Wird die maximale Klassengröße von 25 Kindern im gemeinsamen Lernen auch im Schuljahr 2023/2024 weiterhin verbindlich eingehalten werden?
  • 8. Wird die Anzahl der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf pro Klasse erhöht?
  • 9. Wie viele Mehrklassen sind im SJ 23/24 geplant? An wie vielen Schulen wird die Einrichtung von Mehrklassen künftig voraussichtlich regelmäßig passieren? (siehe auch Frage 12)
  • 10. In wie vielen Kölner Grundschulen ist eine Zügigkeitserweiterung in den letzten drei Jahren vorgenommen worden und wo ist es in den nächsten drei Jahren geplant?

Schulbau

  • 11. Wie viele Grundschulen wurden seit 2016 gebaut? Wie ist der Fertigstellungsstand/(Planungsstand) bei den aktuellen Bauvorhaben?
  • 12. In wie vielen Kölner Grundschulen sind Container aufgebaut worden? Sind weitere Containeraufbauten zwecks Mehrklassenbildung für das SJ 23/24 geplant?

Schulausschuss & Kommunikation

  • 13. Aus der Übersichtstabelle zur Aufnahmekapazität der Eingangsklassen der Kölner Grundschulen in städtischer Trägerschaft geht leider nicht hervor, ob die Schulen, die laut Übersicht keinen Überhang haben, noch eine Aufnahmekapazität haben oder ob diese Schulen schon voll belegt sind. Es ist also nicht klar, ob diese Schulen Kinder aus den „Überhangsschulen“ aufnehmen können. Gibt es eine Übersicht mit den genauen Schüler*innenzahlen pro Schule? Wieso werden in der Tabelle nur "ja/nein" erfasst anstatt der konkreten Zahlen des Überhangs/der noch vorhandenen Aufnahmekapazität?
  • 14. Wann werden die genauen Zahlen zur Anmeldung erhoben und wann an wen kommuniziert? Insbesondere: Zu welchem Zeitpunkt wird das Schulamt über die genauen Anmeldezahlen informiert, so dass eine sinnvolle & transparente Stellenplanung erfolgen kann?