Prekäre Beschäftigung im offenen Ganztag

Zur Schulausschuss-Sitzung am 27.11.2017

Prekäre Beschäftigungssituation in der OGS

Foto: Jutta Jilg

Seit nun fast 15 Jahren gibt es den Offenen Ganztag in Nordrhein Westfalen. An sich hätte die damalige Zusammenführung von Hort und Schule ein hohes Potential zur Verbesserung der Bildungssituation von Kindern in unserem Land gehabt. Hier sei das Konzept der Ganztagsschulen aus den skandinavischen Ländern genannt.

Die qualitativen Standards und die tarifliche Bezahlung des Hortes wurden jedoch nicht übernommen. Es kam zu einem massiven Qualitätsverlust zu Gunsten eines großflächigen quantitativen Ausbaus. Der Offene Ganztag hat mit dem skandinavischem Vorbild leider so gut wie gar nichts zu tun. Er sollte ein Übergangsmodell hin zur Ganztagsschule werden. Es wurde ein chronisch unterfinanzierter Bildungsbereich, bei dem es an allem mangelt, der aber sämtliche sozial- gesellschaftlichen Probleme auffangen soll.

Beschäftigung in der OGS zeichnet sich vor allem aus durch:

die sehr niedrige, oft nicht tarifgebundene Bezahlung, dadurch fehlende pädagogische Fachkräfte, den viel zu niedrigen Stundenumfang, fehlende Räumlichkeiten, fehlende Strukturen, mangelhafte Organisation, fehlende Vorbereitung der Schulen auf den „Einzug“ der OGS, hohe Fluktuation bei den Mitarbeitern, permanentes Krisenmanagement, fehlende Qualitätsstandards und die viel zu niedrige (finanzielle) Gesamtausstattung

Wesentliche Gründe, weshalb die Bezahlung und Gesamtausstattung des Offenen Ganztages unzureichend sind, sind fehlende gesetzlich verankerte Qualitätsstandards und das Auslagern der Verantwortung von Stadt und Land an freie Träger.

Der Offene Ganztag ist weder ins Kinderbildungsgesetz (KiBiz) noch ins Schulgesetz eingebunden. Mit der OGS wurde ein Bildungsbereich geschaffen, der nur auf Erlassen beruht. Für uns eine völlig absurde Situation, wenn man bedenkt, dass alle Parteien Bildung als einen Schwerpunkt hervorheben. Hier wird ein kompletter Bildungsbereich dem freien Markt überlassen. Das führt zu einer Konkurrenzsituation unter den Trägern, die zu Lasten der Kinder und der Beschäftigten oft dazu führt, dass die Qualität des Trägerangebots nicht das zentrale Kriterium ist.

Der Offene Ganztag ist ein Sammelbecken für Quereinsteiger, Berufseinsteiger, Studenten, Übergangs-„Jobber“. Hier ist eine hohe Personalfluktuation zu verzeichnen und viele Stellen können mittlerweile nicht mehr besetzt werden. Viele Fachkräfte bewerben sich weiter auf deutlich besser bezahlte Stellen in Kindertagesstätten mit Zukunftsperspektive und Stufenaufstieg.

Um eine halbwegs vertretbare Grundversorgung zu gewährleisten, hat die GEW eine 33,5 Stundenwoche für eine Gruppenleitung errechnet. Dies würde einem tariflichen Lohn von gemittelt 2600 Euro brutto ergeben (TVöD, 8a, Stufe 3).

Dieser Mindeststandard ist leider nicht gewährleistet. Die oft nicht tariflich bezahlten Gruppenleitungen haben in der Regel nur Halbtagsstellen (ca. 24 Stunden) zur Verfügung. Damit ist der tatsächliche Arbeitsaufwand nicht zu leisten. Die Bezahlung ist ebenso oftmals deutlich unter Tarif und vor allem ohne Stufenaufstieg. Viele OGS-Gruppenleitungen bleiben trotz jahrelanger Zugehörigkeit bei einem Gehalt von gemittelt 1400 Euro brutto.

Dass sich unter diesen Bedingungen keine Fachkräfte finden lassen, ist selbsterklärend. Inzwischen finden sich aber auch immer weniger der obengenannten Quereinsteiger/Berufseinsteiger und Studenten, was zu chronischer Unterbesetzung führt.

Das Gehalt ist so niedrig, dass die meisten Mitarbeiter einem zweiten Job nachgehen müssen, oder ihr Gehalt durch staatliche Unterstützung aufgestockt wird.

Dafür soll aber - inklusiv und integrativ - hochqualifizierte pädagogische Arbeit geleistet werden. Realität ist eher, dass sich dieser Bildungsbereich zu einer reinen Verwahranstalt entwickelt. Das so die gesellschaftlichen Probleme und Bildungschancen für „Alle“ gewährleistet werden sollen, ist unverständlich.

Der Bildungsauftrag einer Pädagogin im Offenen Ganztag umfasst:

Zusammenführung und Anleitung einer bis zu 30 Kinder starken Gruppe mit unterschiedlichen gesellschaftlichen, sozialen und religiösen Hintergründen. Integration von Flüchtlingskindern, intensive Betreuung von Inklusionsprozessen, Erarbeitung und Durchführung von Bildungsangeboten und sozialem Lernen, Analyse von soziokulturellen Hintergründen und gruppendynamischen Prozessen, Erarbeitung von langfristigen Projekten als Bildungseinrichtung nach dem Leitbild des Trägers und der Konzeption der Einrichtung, Fördern von Selbstwert, Partizipation und Selbständigkeit jedes einzelnen Kindes, Präventionsarbeit,  Kinderfalldokumentation, Elternsprechtage leiten, Elterngespräche führen und Zielvereinbarungen treffen, Ausarbeitung von Förderplänen und Entwicklungsdokumentation, AG's und Ferienangebote planen, koordinieren und durchführen, Supervision, Fortbildungen, Wochenplanung, Personalverantwortung für Zweit- und Honorarkräfte, Gruppenalltag anleiten: Essen, Hausaufgaben, Ausflüge, Angebote unter permanenter Wachsamkeit und Ansprechbarkeit. Insbesondere Zeit für wichtige Austauschgespräche mit dem Lehrpersonal, Schulsozialarbeitern, Jugendamt, Therapeuten, Familienhelfern, Inklusionshelfern oder Eltern ist unter den vorhandenen Rahmenbedingungen nicht vorgesehen. In der Regel müssen Vorbereitungen während der pädagogischen Arbeit mit den Kindern stattfinden, da bei der geringen Stundenzahl keine Ressourcen bleiben.

Viele pädagogische Betreuer erhalten hierfür ein Gehalt, das unter dem Sozialhilfesatz liegt!

Pädagog*innen im Offenen Ganztag können kaum „Druck“ durch Streik ausüben (wie z.B. Kita-Mitarbeiter, da es bei vielen Trägern keine Tarifbindung gibt. Dementsprechend gelten für sie auch keine Tariferhöhungen.

Wir fordern: Tarifbezahlung des Personals im offenen Ganztag eine Gesetzesgrundlage für den Bildungsbereich des Offenen Ganztages, gesetzliche Qualitätsstandards, eine ausreichende Stundenanzahl, Ausbau von Räumlichkeiten und ausreichende Finanzierung für Ausstattung und einen angemessenen Personalschlüssel!

Von der Stadt Köln fordern wir, dass sie nur noch mit Trägern kooperiert, die entsprechend Tarif TVöD bezahlen!