Die Antworten der Eltern sind eine Herausforderung für die Bildungspolitik in der Stadt.
Die Stadt Köln beauftragte 2021 das Wuppertal Institut für Bildungsökonomische Forschung mit einer Umfrage zur Schulformpräferenz der Eltern. Die Untersuchungen wurden in allen Stadtteilen Kölns bei allen Grundschuleltern durchgeführt, durch ein Online-Verfahren, das auch nach Selbstauskunft des Instituts eher Eltern aus bildungsaffinen Schichten, weniger Eltern aus bildungsfernen Familien erreichte. Auch die Repräsentativität lag quantitativ eher im unteren Bereich. Dennoch sind die in der Untersuchung gestellten Fragen und Ergebnisse durchaus aufschlussreich.
Erwartungsgemäß, dies ist in vergleichbaren Untersuchungen auch so, präferieren Eltern auf den ersten Blick eine gute Schule des dreigliedrigen Schulsystems, geleitet vom dringenden Wunsch, dass ihr Kind das Abitur machen soll. Eine Präferenz für das Gymnasium erstaunt deshalb nicht, ist es ja auch die Schulform, die den Eltern bekannt und von vielen die eigene Lebensbiografie ist. Vor allem die Möglichkeit des Abiturs ist hier leitend, 54 % streben dies an, davon 72 % auf einem Gymnasium, 15 % auf einer Gesamtschule. Realschule und Hauptschule spielen nebengeordnete Rollen. Sie scheinen verzichtbar, sind aber weiter ein aktiver Teil des dreigliedrigen Schulsystems.
Deutlich wird, dass soziale Milieus den Schulwunsch immer noch stark prägen. Je niedriger der Sozialindex einer Grundschule ist, d. h. in Stadtteilen mit herausfordernden sozialen Lagen, desto weniger trauen Eltern ihren Kindern den Besuch eines Gymnasiums zu. Hier werden in höherem Maße Gesamtschulen und Realschulen in den Blick genommen. Auf der anderen Seite steht das Wahlverhalten in bürgerlichen Vierteln, wo das Gymnasium die höchste Präferenz hat, aber auch Hauptschulen gewünscht werden. Man mag mit Unverständnis auf den letzteren Sachverhalt blicken und sich fragen, warum eine Gymnasialpräferenz mit einer Akzeptanz der Hauptschule einher geht.
Hier liegt die vielleicht alarmierenste Information der Untersuchung. Insbesondere aus bürgerlichem Umfeld stammende Eltern zeigen ein starkes Separationsbedürfnis, in ihrem sozialen Umfeld zu bleiben, auch ein Ausschlussverhalten anderen Milieus gegenüber. Daraus leitet sich deutlich eine hohe gesellschaftspolitische Verantwortung der Schulentwicklungsplanung ab. Denn es kann nicht gewollt sein, dass Stadtviertel nach einfacher Lesung von Elternwünschen sich weiter separieren.
Wovon aber ist die Auswahl einer Gesamtschule als weitere Möglichkeit einer Schullaufbahn bis hin zum Abitur abhängig?
Zunächst spielt die Angebotslage eine Rolle. Da, wo keine Gesamtschule in der Nähe ist, wählen Eltern sie auch nicht an. Denn die Schulortnähe ist ein weiterer Faktor für die Elternentscheidungen. Basierend auf der Erfahrung aus der Grundschule („kurze Beine, kurze Wege“) wünschen sich Eltern die weiterführende Schule ortsnah. Und das quantitative Angebot von Gesamtschulen ist alles andere als flächendeckend.
Es besteht auch weiterhin ein Informationsdefizit über die Gesamtschule. Eltern kennen aus eigener Erfahrung meist das gegliederte System, die Struktur und Funktionsweise von Gesamtschulen ist vielen nicht bekannt.
Die Bildungsökonomen verwiesen in ihrer Präsentation vor dem Schulausschuss Köln auch darauf hin, dass die Befragungsergebnisse eine „Momentaufnahme“ des jetzigen Schulformangebots in Köln sind und sie davon ausgehen, dass bei einem weiteren Angebot die Befragung auch anders sein würde. Hier gibt es die Verpflichtung der Schulentwicklungsplanung, dies zu berücksichtigen und für ein gleichwertiges Angebot von Gesamtschulen und Gymnasien zu sorgen.
Unbeantwortete Fragen
Unbeantwortete Fragen wirft die Untersuchung hinsichtlich der Inklusion auf. Diese wurde gar nicht untersucht.
Unbeantwortet bleibt auch die Relevanz der Schulformempfehlung der Grundschulen, die für Eltern ein Entscheidungskriterium ist. Denn wir wissen aus Untersuchungen von Bildungskarrieren, dass die in Klasse 4 abgegebene Schulformempfehlung einen nur sehr bedingten Aussagewert hat. So hatten 2020 nur 21 % der Abiturient*innen an Gesamtschulen eine Schulformempfehlung Gymnasium, 79 % der Abiturient*innen hatten eine andere Prognose und legten also entgegen dieser Prognose der Grundschule die Abiturprüfung ab (Quelle: Rainer Dahlhaus u. a.: „Abiturienten und Abiturientinnen an Gesamtschulen. Bildungskarrieren, Schulerfolg und die Leistung der Schulform“, GGG NRW 2020).
Und es bleibt der eindeutige Widerspruch zu den hohen langjährigen Ablehnungszahlen im Anmeldeverfahren an Gesamtschulen.
Das bedeutet, dass nun der Primat der Politik gefragt ist. Schulentwicklungsplanung muss den Bedürfnissen von Eltern und Kindern nachkommen, und zwar von allen. Darüber hinaus hat sie die Aufgabe, gesellschaftspolitisch die Milieus einer Stadt zusammenzuhalten und auch Bedarfe wahrzunehmen, wie die der Inklusion, die im Wunschkonzert nicht direkt erkennbar sind.
von Dagmar Naegele, Mitglied im Schulausschuss der Stadt Köln